Seit etwas über einem Jahr lebe ich jetzt zusammen mit meinem Partner und unserer Katze Lotti im selbstgebauten Tiny House. Wir haben in diesem Jahr insbesondere durch das Coronavirus und den darauffolgenden Lockdown sehr viel Zeit im Haus und im Garten verbracht und dabei die Vor- und Nachteile vom Leben auf 23 Quadratmetern genaustens kennengelernt. Es folgt eine sehr persönliche und subjektive Einschätzung:
Vorteile vom Leben im Tiny House:
Kurze Wege
Man kann es nicht anders sagen, als dass das Leben im kleinen Haus mich manchmal etwas faul werden lässt. Theoretisch muss ich nicht mal mehr vom Schreibtischstuhl aufstehen, um mir einen Tee zu machen, sondern kann mit meinem Stuhl gleich in die Küche rollen. Auch die Entfernung zum Kühlschrank ist selbst aus dem Schlafzimmer nie weiter als sieben Meter. Die kurzen Wege haben insbesondere beim Putzen einen zeitsparenden Vorteil. Einen Staubsauger besitzen wir nicht mehr, sondern nur noch einen kleinen Handfeger inklusive Kehrblechs. Einmal durchzufegen dauert so keine 10 Minuten mehr.
Minimalismus
Manche würden es Einschränkung nennen keinen Platz für 100 Bücher oder eine große Schuhsammlung zu haben. Ich habe es sehr genossen mich von unbeliebten Dingen trennen zu können. Beim Umzug von den vorherigen 60 Quadratmetern auf 23 habe ich endlich die tropfende Teekanne verschenkt. Auch konnte ich mich von den Büchern trennen, die ich sowieso nicht ein zweites Mal lesen würde und über meine Zeitschriftensammlung freute sich eine Freundin sowieso viel mehr.
Jetzt im Tiny House ist nur begrenzt Platz für neue Dinge, was mich zu einem reduzierteren Konsum führt. Das gesparte Geld investiere ich in den Garten und den Anbau von eigenen Lebensmitteln. Auch das Landleben hat den Minimalismus verstärkt. Mal eben durch die Einkaufsmeile schlendern? Fehlanzeige! Dafür ist die Fahrt in die nächste Großstadt oft zu weit. Einen Shoppingbesuch gibt es höchstens 1x im Quartal.
Naturverbundenheit
Im kleinen Haus fühle ich mich viel mehr mit der Natur verbunden. Das mag daran liegen, dass ich dank neun großer Fenster das Gefühl habe mittendrin zu sein. Ich spüre die Sonne im Gesicht, höre den Regen aufs Dach prasseln und bei starken Wind knarzt das Holz. Auch bin ich immer nur einen Schritt vom Garten entfernt. Die Liebe zum Gärtnern und Verarbeiten vom eigenen Obst und Gemüse hätte ich ohne das Tiny House und das Landleben wohl nie entdeckt. Seit dem Hausbau bin ich außerdem noch wissbegieriger und will eigentlich alles ausprobieren.
Unabhängigkeit
Das wohl größte Glück am Leben im Tiny House ist die Unabhängigkeit, welche die kleinen Häuser auch so beliebt werden ließ. Wenn wir in einigen Jahren zum Beispiel umziehen wollen, dann können wir unser Haus mitnehmen. Zur Unabhängigkeit gehört aber auch der finanzielle Aspekt. Wir konnten das Haus mit kleinem Budget bauen und haben auch jetzt überschaubare Fixkosten mit Wasser, Strom und Pellets für den Ofen, aber auch Versicherungen.
Nachteile vom Leben im Tiny House:
Dreck
Ein Punkt, welcher mich wirklich insbesondere im Winter stört, ist der Dreck. Durch einen fehlenden Flur oder Vorraum ist der Schmutz von den Schuhen schnell nicht nur im Eingangsbereich, sondern im ganzen Wohnbereich verteilt. Da kann man noch so einen großen Abtreter besitzen oder die Schuhe vor der Tür ausziehen, irgendwie trägt man Erde, Laub oder kleine Steine doch wieder ins Haus. Unsere Katze Lotti unterstützt dies natürlich noch zusätzlich.
Ordnung
Für uns ist es unglaublich wichtig, dass alle Gegenstände im Haus einen festen Platz haben, denn sonst ist die kleine Fläche sehr schnell komplett vollgestellt. Die Weihnachtskisten stehen zum Beispiel immer unter der Treppe zum Schlafzimmer. So stören sie das ganze Jahr nicht und sind sicher verstaut. Bettwäsche und Winterjacken lagert in Kisten unter dem Bett und lassen sich schnell hervorkramen. Insbesondere bei der Küche bin ich froh, dass ich diese so lange und exakt geplant habe. So hat jeder Teller, jede Tasse und unsere Vorräte einen genauen Platz und es entsteht kein Chaos. Das schöne Geschirr ist übrigens von Tranquillo.
Hellhörigkeit
Aufgrund der geringen Größe ist im Haus natürlich die Lautstärke ein Thema. Auch wenn man sich ans andere Ende des Hauses setzt, ist man nie mehr als 10 Meter voneinander entfernt und kann sich entsprechend hören. Zum Glück spielt keiner von uns Schlagzeug. Ohne den Garten als zweites Wohnzimmer würden uns definitiv ein Rückzugsorte fehlen. Bezüglich der Hellhörigkeit gebe ich ein wenig auch unseren Schiebtüre von Bad und Schlafzimmer die Schuld, da sie nicht ganz exakt schließen. So kann einer nicht lautstark im Schlafzimmer Musik hören und mitgrölen, wenn der andere gerade am Schreibtisch arbeitet und in einer Online-Konferenz sitzt. Unsere Lösung hierfür sind gute Kopfhörer.
PlatzProblem
Wie viele Personen passen wohl auf 23 Quadratmeter? Ich finde, dass es mit mehr als drei Gästen eng wird. Denn spätestens dann passen bei uns im Haus nicht mehr alle Personen angenehm an den Küchentisch und die benachbarten Schreibtische. Zum Glück findet man für dieses Problem kreative Lösungen. Im Winter ist ein Pizzaabend auf dem Boden perfekt. Im Sommer gibt es umso mehr Gartenpartys. Ansonsten kommen wir mit der Größe tatsächlich sehr gut zurecht, denn wenn man unbedingt etwas braucht, dann findet man meistens den Platz. So wie bei unserer neuen Espressomaschine, die nach fast einem Jahr im Home Office unbedingt in die Küche müsste.
Passenderweise nutzt Lotti ihren Kratzbaum im Haus zur Zeit nur selten, weil sie lieber den Baum im Garten zum Klettern verwendet. Also haben wir intensiv überlegt, was wir anstelle des Kratzbaumes in die Ecke stellen könnten. Eine Lampe? Ein Sessel? Dabei ist uns dann aufgefallen, dass wir nichts davon im Haus benötigen und so bleibt der Kratzbaum eben noch etwas stehen.
An dieser Stelle muss ich aber ein großes „aber“ setzen, denn ohne Garage würde es bei uns nicht funktionieren. Da wir das Haus selber gebaut haben, haben wir einiges an Werkzeug gebraucht und brauchen es immer noch. Akkuschrauber, Arbeitskleidung, Materialreste, Schrauben und Farbeimer – Alle diese Dinge müssen irgendwo aufbewahrt werden. Gerade unsere Kapp- und Gehrungssäge, mit der wir sämtliches Holz für den Hausbau geschitten haben, ist inklusive Werkbank auch nicht gerade klein. Deshalb sind wir sehr glücklich über unsere Garage, in der inzwischen auch zwei Vorratsregale mit meinen Einkochgläser stehen. Hätten wir die nicht, so bräuchten wir wohl ein Gartenhaus.
Aus diesem Grund finde ich es auch so wichtig, dass wenn über kleinen Wohnraum (egal ob in der Stadt oder auf dem Land) gesprochen wird, auch das Umfeld betrachtet wird. Damit diese Konzepte langfristig funktionieren, braucht es mehr Leihboxen und -Geschäfte für Werkzeuge. Aber auch andere Dinge wie einen Einkochtopf oder eine Nähmaschine braucht man oft nur zeitweise und kann wunderbar mit den Nachbarn geteilt werden.
Alle weiteren Blogartikel zum Bau und Leben im Tiny House sind in der Kategore Tiny House zu finden.
Toller Artikel, liebe Tati, sehr inspirierend und ich finde man merkt richtig, dass ihr euch wohlfühlt. Schließlich muss es beiden gut gehen auf 23qm 😅🙈
Vielen lieben Dank! Das tuen wir wirklich und jedes Zuhause hat eben ganz individuelle Vor- und Nachteile.😊
Danke für den spannenden Einblick und die Mühe alles mal aufzuschreiben. Ich glaube bei mir wäre es ähnlich mit dem Werkzeug und den Einkochgläsern, aber gut, dass ihr das so lösen konntet.
Zum Thema Katzen und Dreck: das kann ich auch nur bestätigen. Der Küchenboden sieht einfach immer schmutzig aus und das obwohl ich schon jeden Tag fege.
Gern! Freut mich, dass dir der Artikel so gefällt. Unsere Katze liegt besonders gern auf der Tagesdecke vom Sofa/Bett. Diese ist unglücklicherweise in einer Cremeweiß-Sandfarbe. Ich bin also regelmäßig mit Waschen beschäftigt.😅
Ein richtig toller Artikel, Tati. Ich glaube dir auf’s Wort, wie wichtig Garten und Garage sind. Ich merke selbst in unserer 3-Zimmer-Wohnung, dass ein kleiner Abstellraum fehlt. Und ein Garten sowieso. One day… 🙂
So ging es mir auch schon in unserer letzten Wohnung in der Stadt. Du wirst deinen Garten mit Sicherheit finden! Vielleicht ist für den Anfang auch ein Schrebergarten eine Möglichkeit?
Liebe Grüße nach Frankfurt,
Tati
Ich finde dein Tiny House super, habe aber jetzt in der Corona-Zeit festgestellt, dass das nichts für mich wäre. Wenn zwei Leute mit ständigen Telefonaten im Homeoffice arbeiten, wäre mir das zu eng und zu hellhörig. Wie macht ihr das?
Wir sind froh über unsere Kopfhörer!😂 Ansonsten habe ich aber vor allem Workshops oder Videokonferenzen, wo ich zuhören und nicht reden muss. Dann geht das. Das Fotografieren im Haus für Instagram oder den Blog lege ich meistens in die Mittagspause, damit ich beim Rumräumen und Laufen nicht so sehr störe.
Ich finde Tiny Houses und Bauwagen grossartig! Schon nur wegen den geringen Unterhaltskosten. Man brauht massiv weniger Geld für Heizung und Strom zu zahlen und kann auch nicht so viel für Dekoration und Mobiliar ausgeben – denn dafür ist schlicht kein Platz im Minihaus 😉