Gastbeitrag: Marcella von get on your way
Rettet die Natur!
Wer bin ich?
Ich bin Marcella, 30 Jahre, und lebe in Brühl. Aufgewachsen bin ich in Bonn. Als Kind ging ich dort in einem schönen Stadtteil direkt am Waldrand zur Grundschule. Mit ungefähr neun Jahren bastelte ich gemeinsam mit einer Freundin aus zwei größeren Baumzweigen und ein paar Blatt Papier zwei Schilder. In großer bunter Schrift schrieben wir unser Anliegen darauf: „Rettet die Natur!“. Dann zogen wir mit unseren Schildern los durch unseren Stadtteil und riefen allen Menschen, denen wir begegneten (zugegeben, es waren nicht so viele), stolz unsere Parole entgegen. Meine erste Demonstration! Die Menschen reagierten damals alle gleich:
Wir waren stolz! Und glücklich: Die Menschen sahen es genauso wie wir: Es ist wichtig, die Natur zu retten!
Je älter ich wurde, desto mehr realisierte ich aber, dass das mit dem Natur retten anscheinend eine komplizierte und nicht so einfache Sache war und dass den Worten auch Taten folgen müssten.
Mein Weg zu einem nachhaltigen Leben
Ich selber liebte den Wald und ich liebte Tiere, deshalb beschloss ich mit 12 Jahren: Ab jetzt lebe ich vegetarisch! Ab diesem Tag startete mein Weg zu einem nachhaltigen Leben, den ich seitdem immer weiter gehe.
Nach und nach habe ich verschiedene Lebensbereiche nachhaltig gestaltet: Mit 17 wurde ich vegan und kaufte immer mehr regionale und saisonale Bio-Lebensmittel. Heute beziehe ich außerdem Ökostrom, lebe ohne eigenes Auto und fahre viel und gerne Fahrrad. Meinen Konsum schränke ich soweit wie möglich ein und setze auf Secondhand und auf reparieren statt neu kaufen.
Schon während meines Studiums war ich auf der Suche nach einem Job, der zu meinen Überzeugungen passt. Zufällig entdeckte ich das Reise- und Umweltmagazin Anderswo, ein Magazin für nachhaltigen Tourismus in Europa, das der fairkehr Verlag in Bonn produziert. Ich bekam dort eine Praktikumsstelle und konnte danach als studentische Aushilfe bleiben. Auch nach meinem Studium wollte und durfte ich bleiben und arbeite heute als Redakteurin für Anderswo und im neuen Projekt Katzensprung.
Europa klimaschonend mit Zug und Bus entdecken
Da es in beiden Projekten um nachhaltiges Reisen geht, kam direkt die nächste Inspiration zu einem nachhaltigen Leben: Ich fing an, mein eigenes Reiseverhalten zu hinterfragen. Meine letzte Fernreise lag zwar schon 12 Jahre zurück, dennoch bin ich bis 2016 ein- bis zweimal im Jahr innerhalb von Europa geflogen. Durch meine Arbeit wurde mir dann immer mehr deutlich: „Rettet die Natur“ und Flugreisen – das passt nicht gut zusammen. Daher beschloss ich, die vielfältige Natur und Kultur Europas klimaschonend mit Zug und Bus zu entdecken.
Das langsame, achtsame Reisen ist für mich ein echter Gewinn: Ich bin seitdem schon mit dem Zug von Brühl nach Kroatien gereist, habe später knapp einen Monat lang Osteuropa mit Zug und Bus erkundet, bin via Paris und Barcelona mit dem Zug an die spanische Costa Daurada gefahren und werde diesen Frühsommer mit Zug und Fahrrad nach Dänemark fahren, um den Ostseeküstenradweg entlang zu radeln und Kopenhagen zu erkunden.
Inspirationen für ein nachhaltiges Leben
Mit der Zeit wuchs in mir der Wunsch, auch andere Menschen zu inspirieren, ihren eigenen Weg zu einem nachhaltigen Leben zu finden – im Alltag und auf Reisen. Ich startete meinen Blog „get on your way“ und fing an, dort und auf Instagram über meine Reisen, aber auch über andere Themen wie ein veganes Leben und Tierrechte, über Feminismus, Minimalismus und ein Wandel hin zu einer nachhaltigeren, gerechteren Gesellschaft zu schreiben.
Manchmal sehe ich auch heute noch Parallelen zu meiner kleinen Demonstration mit neun Jahren: Mein Schild sind heute mein Blog und meine Arbeit. Aber etwas ist anders als damals: Da sind immer mehr Menschen mit „Schildern“, die sich wirklich Gedanken machen, den Worten Taten folgen lassen und bereit sind für Veränderung. Darüber bin ich sehr froh!
Schwierigkeiten auf dem Weg zur Nachhaltigkeit
Leider ist da aber etwas auch noch genauso wie damals: Da sind immer noch die, die zwar sagen „Jaa, die Natur retten, das ist wichtig!“, die aber nichts ändern. Neben Einzelpersonen sind das auch Firmen und Konzerne weltweit, die einen großen Einfluss auf die Politik ausüben und die dieses System aufrechterhalten, in dem „Rettet die Natur“ immer nach „Rettet die Profite“ kommt.
Sie holzen Regenwald ab, verschwenden Ressourcen, produzieren Treibhausgase, verpacken Dinge in Plastik, verschmutzen und vergiften die Umwelt und regen Menschen dazu an, ihre Produkte trotzdem zu konsumieren.
Genau hier liegt, auch für mich, oft noch eine Schwierigkeit: Mir gelingt es zum Beispiel an vielen Stellen nicht, Plastikverpackungen komplett zu vermeiden. Wir können nicht perfekt sein in einem System, das von unserem Nicht-Perfektsein abhängig ist und gar nicht daran interessiert ist, dass wir andere Alternativen wählen.
Ein anderes Beispiel dafür sind Flugreisen: Sie sind häufig günstiger als das Reisen mit dem Zug, was unter anderem daran liegt, dass Kerosin nicht besteuert wird.
Von den Menschen, aber auch von Wirtschaft und Politik.
Bei der Frage, was wir selbst ändern können, um umweltfreundlicher zu leben, gehe ich immer recht pragmatisch vor und schaue mir an, mit welchen Handlungen wir einen großen Einfluss auf Klima und Umwelt nehmen können. Dazu gehören:
1) Weniger Auto fahren: Öfter mal zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren und wann immer möglich auf Bus und Bahn umsteigen – jedes Mal, wenn wir das Auto stehen lassen, sparen wir CO2 ein und produzieren weniger Luftschadstoffe. Besonders in Städten ist das ein wichtiger Schritt!
2) Weniger oder am besten nicht mehr fliegen und stattdessen die vielfältige Natur und Kultur Europas mit Zug und Bus entdecken. Und wenn es doch mal nicht ohne Flugzeug geht: Das CO2 kompensieren, zum Beispiel bei atmosfair.
3) Zu Ökostrom wechseln: Da in Deutschland noch immer ein Großteil des Stroms aus Braun- und Steinkohle erzeugt wird, spart ein Wechsel zu grünem Strom viel CO2 ein!
4) Weniger Tierprodukte essen: Die „Nutztier“-Haltung weltweit produziert nicht nur viel Leid, sie bringt auch einen enorm hohen Ressourcenverbrauch und die Produktion vieler Treibhausgase mit sich. Je weniger Tierprodukte wir essen, desto kleiner wird unser CO2-Fußabdruck.
5) Diesen Punkt finde ich besonders wichtig: Auf die Straße gehen – sei es nun zu zweit mit selbstgebasteltem „Rettet die Natur“-Schild oder bei einer der vielen Demonstrationen, die es inzwischen für mehr Umwelt- und Klimaschutz gibt. Wirkliche Veränderung wird nur dann kommen, wenn Politik und Wirtschaft sich grundlegend verändern. Und das werden sie nur, wenn sich dafür immer mehr Menschen laut und entschlossen einsetzen.