Nachhaltig Bauen mit kleinem Budget

Gastartikel von Ester Karl, die als Bauingenieurin in einem ökologischen Haus wohnt.

Wenn man über die großen Klimasünder spricht, dann fällt den meisten Menschen als erstes die Autoindustrie oder der Energiesektor ein. Was viele nicht wissen ist, dass die Baubranche weltweit für ca. 40% des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist und damit eine Schlüsselfigur für das Erreichen der Klimaziele. Private Bauherren können durch die Verwendung von klimaneutralen Baustoffen und einer effizienten Wärmedämmung und -technik ihren Teil zur Bauwende beitragen. Noch sind viele klimaneutrale Baustoffe und Technologien teurer als konventionelle Baustoffe und nicht jede*r kann sich das leisten.

Deshalb habe ich 10 Tipps zusammengestellt, wie man auch mit kleinem Budget nachhaltig bauen kann: Wo lohnt es sich mehr Geld in die Hand zu nehmen, um unterm Strich zu sparen? Wo kann man ohne schlechtes Gewissen zur vermeintlich unökologischeren Variante greifen?

Tipp 1: Verzichte auf einen Keller

Ein Keller kann sehr schnell sehr teuer sein, vor allem bei hohem Grundwasserstand. Wer auf einen Keller verzichtet, spart zurzeit sehr große Mengen an CO2 ein. Die weltweite Zementindustrie ist allein für 7% des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Hinzu kommt, dass der Sand und der Kies abgebaut werden müssen und ganze Ökosysteme dadurch zerstört werden.

Wer ein Haus plant, sollte genau überlegen, ob ein Keller wirklich notwendig ist. Das eingesparte Geld kann für besser Baumaterialien in den wichtigen Wohnräumen genutzt werden oder die Hausbaukosten signifikant senken.

Tipp 2: Investiere in eine gute Wärmedämmung

Wenn ihr ein nachhaltig bauen wollt, aber das Budget nicht für alle Gewerke reicht, dann schaut euch vor allem die Baustoffe an, von denen mengenmäßig viel gebraucht wird und so unterm Strich einiges für die Ökobilanz herausreißen können. Dazu gehört zum Beispiel die Wärmedämmung.

Die Mehrinvestition in eine gute nachhaltige Wärmedämmung amortisiert sich meistens doppelt. Als erstes durch die eingesparte Energie. Hier lautet auch das Credo, wer beim Sanieren die Wärmedämmung anpackt, sollte es direkt richtig machen, dann alle späteren Verbesserungen der Wärmedämmung lohnen sich i.d.R. finanziell nicht mehr. Auch beim Neubau sollte an der Dämmung nicht gespart werden. Bei Neubauten werden die besseren Energiestandards erreicht, wenn quasi der komplette Wandaufbau Dämmung ist und nicht erst die Dämmung auf die Tragkonstruktion von außen angebracht werden muss.

Als zweites spart man sich später viel Geld, wenn das Haus dann doch nochmal saniert werden muss. Viele Dämmstoffe, die im Einkauf günstig sind, sind in den meisten Fällen in der Entsorgung teuer. Für viele Baustoffe auf Kunststoffbasis wird sich das in Zukunft sogar noch verschärfen. Natürlich gehört in diese Kosten-Nutzen-Rechnung auch der Wärmeerzeuger, aber je besser gedämmt, umso besser sind die Möglichkeiten Klimaneutral zu heizen, z.B. mit einer Wärmepumpe.

Aber welche Dämmungen sind denn nachhaltig? Eigentlich alles was aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird wie z.B. Holzfaserdämmung oder aus Abfallprodukten wie z.B. Zellulosedämmung. Zellulosedämmung ist übrigens die günstigste Dämmung und gibt es mittlerweile auch ohne Bromzusätze für den Brandschutz. Kunststoffbasierte Dämmungen sind zwar auch sehr günstig und auch effektiv, aber sind schon in der Herstellung alles andere als Umweltfreundlich. Diese Dämmungen verschlechtern die Ökobilanz eines Hauses um ein Vielfaches und der Zeitraum, um das durch die eingesparte Energie wieder auszugleichen ist sehr lang.

Tipp 3: Investiere in Dreifach-Verglasung

Wer ein kleines Budget hat, sollte Kunststofffenster auswählen. Der Mehrwert in der Ökobilanz zu Holz- oder Holz-Aluminium Fenster ist minimal (bei normalen Fensterflächen), aber der Preisunterschied enorm.

Moderne Produktionsverfahren von Kunststofffenster sind sehr effizient, die Langlebigkeit der Fenster ist gestiegen und viele Hersteller recyceln die Kunststofffenster wieder zu neuen Fenstern. Der Recycling-Anteil ist schon auf 70% gestiegen. Zudem sind die Fensterrahmen pflegeleicht und wartungsarm.

Bei Holzfenster ist ein Problem, dass diese regelmäßig behandelt werden müssen und je nachdem mit welchen Lacken, Lasuren und Farben das geschieht, eignen sich Holzfenster nur noch für die thermische Verwertung und kein Recycling. Holz-Aluminium Fenster können da Abhilfe schaffen, sind aber wesentlich teurer.

Wichtiger als das Material der Rahmen ist die 3-Fachverglasung. Der Aufpreis ist marginal im Vergleich zu den Einsparungen der Heizenergie und rechnet sich idR schon nach wenigen Jahren.

Tipp 4: Vermeide Verbundwerkstoffe

Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem es egal ist welchen Baustoff man wählt, solange man diesen zerstörungsfrei wieder ausbauen und wiederverwenden kann. Das ist das Ultimo von der Kreislaufwirtschaft oder von Cradle-to-Cradle. Unser Gebäudebestand ist das größte Rohstofflager der Welt und in Zukunft werden wir immer mehr Baustoffe aus dem Bestand zurückgewinnen, aber das funktioniert nur, wenn diese wiederverwendbar sind.

Klar ist es jetzt noch relevant, wie viel graue Energie ein Baustoff in der Produktion benötigt, aber wenn die Energiewende dann irgendwann mal geklappt hat, werden andere Faktoren wichtiger. Und wir werden sehr bald an den Punkt kommen, dass wir der Natur nicht immer weiter Rohstoffe entnehmen können/sollten. Wir sollten erstmal das benutzen was wir schon haben. Also lautet das Motto: lieber Schrauben als Kleben. Lieber Stecken als Nageln.

Da es unglaublich kompliziert sein kann, welches Baumaterial zurzeit am ökologischsten ist, macht euch lieber Gedanken darüber, wie ihr das Material, welches auch immer das ist, einbauen könnt, so dass es wiederverwendbar ist.

Tipp 5: Plane für die Zukunft

Ein weiterer wichtiger Aspekt von Nachhaltigkeit ist die Planung. Es gibt einige Punkte, die schon früh in der Planung beachten werden können, ohne das Geld dafür ausgeben zu müssen (zumindest nicht so viel). Nachhaltigkeitsprojekte beim Haus müssen nicht alle auf einmal umgesetzt werden, aber es kann zusätzlich viel Geld sparen, wenn man schon früh in der Planung daran denkt.

  • Ihr könnt alles für eine PV-Anlage bedenken und vorbereiten. Dazu gehören z.B. die Ausrichtung der Dachflächen, Vermeidung von Dacheinbauten wie Dachfenster und Gauben, Platz freihalten im Technikraum für eine Batterie und alle zugehörigen Einbauten für die PV-Anlage und das Verlegen von Leerrohren. Das kann unterm Strich auch Geld und Arbeit sparen.
  • Flachdächer können für eine Dachbegrünung geplant und vorbereitet werden. Dazu gehören zB eine druckfeste Wärmedämmung, ausreichende Auslegung der Statik und geeignete Abdichtung der Fläche.
  • Die Dachflächenentwässerung könnt ihr an Stellen anordnen, an denen später das Wasser aufgefangen werden kann, um damit den Garten zu gießen.
  • Last but noch least: Legt den Grundriss so aus, dass das Haus vielfältig nutzbar ist und bei Besitzerwechsel oder veränderten Lebensumständen nicht unbedingt umgebaut werden muss. Dazu gehört auch die Barrierefreiheit.

Tipp 6: Schau dir die verwendeten Kunststoffe genau an

Die Preise von Kunststoffen bilden leider nicht die wahren Kosten ab und es gibt endlos viele Bauprodukte die Kunststoffe enthalten. In 99% der Fälle kann man davon ausgehen, dass ein Produkt, das Kunststoff enthält, die schlechtere Ökobilanz hat.

Da aber viele Kunststoffe auch gesundheitliche Risiken mit sich bringen, sollte ein wohngesundes Haus möglichst wenig Kunststoffe enthalten. Es gibt aber auch Gewerke, da kann man sich die Recherche-Arbeit und Kosten für Kunststofflose Alternativen sparen:

  • Abwasserrohre sind meistens aus Polypropylen. Die Alternativen wären Steinzeug oder Beton. Beide teurer, schwerer, anfälliger und brauchen mehr Platz. PP-Rohre sind beständig gegen viele aggressive Stoffe im Abwasser, langlebig und weitgehend recyclingfähig.
  • Ummantelungen von Kabeln. Ich wüsste nicht, dass es da eine Alternative gibt. Genauso wie Leerrohre. Sowieso fast alle Dinge, die mit Strom zu tun haben.
  • Lichtschalter und Steckdosen gibt es tatsächlich auch aus anderen Materialien. Da die Mengen an Material aber äußerst gering sind, sind hier die Einsparungen in der Ökobilanz nicht so groß. Die Dose dahinter ist idR wieder aus Kunststoff.
  • Bei der Haustechnik ist auch wieder viel aus Kunststoff und der Einfluss darauf nur begrenzt. Wer da etwas für seine Ökobilanz und sein Portmonee machen will, sollte auf Technik verzichten. (Bei Lüftungsanlagen gibt es sinnvolle Alternativen zu Kunststoffrohren, wie zB Blech.)
  • Fenstergriffe ist auch so eine Sache. Ist das Fenster schon aus Kunststoff, dann macht der Griff die Bilanz auch nicht mehr besser.

Tipp 7: Kleiner, aber feiner bauen

Wer kleiner baut, baut ökologischer. Jeder qm hat Einfluss auf die Ökologie eines Hauses.

Die Wohnungsnot in Deutschland und das Problem mit der Versiegelung werden zum Teil dadurch verursacht, dass wir immer größer bauen. In den letzten 20 Jahren sind die durchschnittlichen qm-Wohnfläche pro Einwohner um fast 10qm gestiegen.

Genauso ist aber auch die Menge der Baumaterialien wichtig. Je weniger Baumaterialien gebraucht werden, umso ökologischer ist das Haus. Wer kleiner baut, spart auch viel Geld. Wer sich auf das konzentriert, was wirklich gebraucht wird, spart unterm Strich oder kann sich eine bessere Qualität leisten.

Hier ein paar Tipps wie man Platz sparen kann:

  • Wenige Innenwände planen. Lieber weniger große Räume, als viele kleine.
  • Multipurpose Räume: Räume, die mehrere Aufgaben erfüllen, wie zB ein Technikraum mit Haushaltsecke.
  • Weniger Krempel ansammeln und durchdachte Verstaumöglichkeiten integrieren. ZB lieber einen großeN Schrank, statt Platz für viele Kleine. Wer weniger Sachen besitzt, baucht auch weniger Platz
  • Ungenutzten Raum vermeiden. ZB Galerien und Lufträume, Verkehrswege, etc. Gerade bei großen Verkehrsflächen und Lufträumen gibt es viel Einsparpotential.

Tiny Häuser werden aus diesen Gründen auch immer beliebter. Eigenheim ohne sich zu Verschulden. Leider ist das in Deutschland noch eine Randerscheinung. Da seid ihr hier bei InCapitalLetters genau richtig.

Tipp 8: Selber bauen

Jetzt kommt ein Tipp, der betrifft alle Bauherren, aber wer nachhaltig bauen will, fährt damit besser: Selber bauen!!!

Ein Haus oder eine Sanierung ist so teuer, weil da viele teure Handwerker-Arbeitsstunden (je nach Region 70€ oder sogar mehr) drinstecken. Da steckt viel Einsparpotential. Natürlich sollte nicht jedes Gewerk einfach von einem Laien ausgeführt werden, aber es gibt viele Arbeiten, vor allem bei Sanierungen, die können geschickte Laien gut und vor allem kostengünstig ausführen. So kann der Mehrpreis von den ökologischen Baustoffen gut ausgeglichen werden.

Für Baugorilla habe ich einen Artikel über Eigenleistungen geschrieben, wo ihr nachlesen könnt, welche sich gut übernehmen lassen und worauf ihr achten solltet. Jetzt kommt aber der entscheidende Vorteil von ökologischen Baustoffen. Diese sind nämlich in den meisten Fälle weder gesundheitsgefährdend oder schwierig zu verarbeiten. Hier mal ein drei Beispiele:

  • Jute oder Holzwolledämmung lässt sich kinderleicht verarbeiten und juckt nicht.
  • Lehmputz ist sehr dankbar was Fehler angeht und lässt sich auch am nächsten Tag leicht korrigieren. Zementputz muss dagegen abgeschlagen werden, wenn der einmal trocken ist.
  • Holzdielen zu verschrauben ist auch keine Kunst und lässt Spielraum für Fehler. Boden verkleben dagegen ist endgültig richtig oder falsch.

Klar sollte die eingebrachte Zeit finanziell auch gegengerechnet sein. Wer z.B. 100€/Std. in seinem Job verdient und sich für die Baustelle freistellen lässt, um den Handwerker zu ersetzen, der 50€/Std. kostet, sollte das nochmal nachrechnen.

Tipp 9: Verzichte auf Zement

Wer etwas für seine Klimabilanz machen will, kann das ganz einfach machen, indem so wenig Zement wie möglich verbaut wird. Zementputz hat zB eine 3 Mal schlechtere Ökobilanz als Lehm.

Wie kann Zement ersetzt werden:

  • Die Bodenplatte kann durch Schraubfundamente ersetzt werden. Oder die die Zementmenge kann durch Streifenfundamente oder Schaumglasschotter reduziert werden.
  • Für Innenputze eignen sich Lehm und Kalk viel besser als Zementputze.
  • Für Außen gibt es Kalkputze ohne Zement, Holzfassaden oder Klinker (wenn der Strom für die Herstellung erneuerbar ist.

Zurzeit wird der allerwenigste Zement klimafreundlich hergestellt. Viele Zementwerke betreiben gleichzeitig Müllverbrennungsanlagen, die Altöl und so etwas verbrennen oder werden mit Gas betrieben. Bis jetzt habe ich nur „klimaneutrale“ Betonfirmen gefunden, die CO2 ausgleichen und nicht, weil sie wirklich klimaneutral arbeiten.

Tipp 10: Sei kreativ!

Geld kann man auch sparen, wenn man ein bisschen um die Ecke denkt. Hier mal ein paar Inspirationen:

  • Man kann ein Mehrfamilienhaus als Doppelhaus bauen. Die Wohneinheiten sind dann nebeneinander angeordnet. Beide Wohneinheiten teilen sich aber die Haustechnik. Das spart unterm Strich einiges.
  • Den Schweizer Architekturpreis hat dieses Jahr ein Haus gewonnen, was von den Oberflächen im Rohbauzustand gelassen wurde.
  • Umgekehrtes Planen. ZB besorgt man sich die Fenster günstig über Bauteil-Börsen und plant das Haus passend dazu. Das gleiche gilt für Treppen, Haustüren, etc.
  • Kreative Wohnkonzepte wie die Gründung einer Wohngenossenschaft oder eines Mehrgenerationenhauses können die Kosten senken und man ist auch kein Einzelkämpfer mehr. Mitstreiter findet man zB über Forum Gemeinschaftliches Wohnen e.V. oder in lokalen Zeitungsannoncen.
  • Das eigene Lebenskonzept überdenken, kann auch helfen Kosten zu sparen. Hier kann das Motto lauten „Weniger ist manchmal mehr“ und man plant minimalistischer. Oder schlauer. Mit verschiebbaren Wänden, herunter ziehbaren Einbauten, Schwenkenden Schränken etc.
  • Tauschen. Es gibt Projekte die tauschen Arbeit gegen Kost und Logis. Je nach „Tauschpartner“ sind das dann Helfer für Laienarbeiten, aber auch gibt es geschickte Handwerker darunter. Zb gibt es ja auch Handwerkergesellen auf Walz und die nehmen den Gesellenlohn bzw. Mindestlohn im Baugewerbe. Wobei Gesellen auf Walz meistens in Betrieben anheuern.

Ganz wichtig ist, sich nicht auf etwas zu versteifen. Oft helfen schon kleine Abweichungen und man kann viel Geld sparen.


Wer mehr über das nachhaltige Bauen erfahren möchte, findet hier ein passendes eBook der Gastautorin. Den Bau meines Tiny Houses könnt ihr in diesen Artikeln mitverfolgen.

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